Wie die Luft zum Atmen

Möglichkeiten

Im Leben können wir in die Luft gehen, tief Luft holen oder mal die Luft anhalten, nach reiner Luft Ausschau halten oder dicke Luft vermeiden, jemanden an die frische Luft setzen oder in der Luft hängen. Wir können nach Luft schnappen, Löcher in die Luft starren, in manchen Momenten nichts als heiße Luft reden oder Luft für jemanden sein. Vieles kann sich in Luft auflösen. Auch wir selbst? friedlotse geht der Frage nach, warum Luft auch nach dem Tod noch eine große Rolle spielt. 

 

 

Einer der hiesigen Bräuche im Moment des eintretenden Todes ist, das Fenster zu öffnen, sobald der letzte Atemzug getan ist. Er entspringt der volkstümlichen Vorstellung, dass die Seele durch den Mund in die Luft und dann in den Himmel entweicht, sobald sie ihre körperliche Hülle hinter – oder besser – unter sich zurücklassen kann. 
In unserer und vielen anderen Kulturen ist also der Glaube verankert, dass wir in irgendeiner Form aufsteigen könnten, weg von der Erde, hin zum Himmel, in die Luft. 

Die Luft, die wir jeden Tag unzählige Male in unsere Körper hinein- und wieder hinausatmen, ist für uns fast so schwer zu fassen wie all die andere Luft auf diesem Planeten auch. Sie ist so ephemer, so flüchtig, wie das Leben selbst; nur durch Bewegung sichtbar: ein sich hebender und senkender Brustkorb, vorbeiziehende Wolken, Bäume in einem Sturm. 

Über die Luft nehmen wir zum Beispiel Gerüche und Geräusche wahr, mit den zwei Sinnen, die zum Lebensende so entscheidend sind für Wohlbefinden und Erinnerung. 

Im Buddhismus besteht der menschliche Körper aus fünf Elementen, die sich bereits im Sterbeprozess auflösen, idealerweise vom Groben ins Feine: Erde, Wasser, Feuer, Luft, Raum. 

Dieser Wunsch nach Leichtigkeit und Freiheit im Moment des Todes scheint verschiedenen Glaubensrichtungen gemein. Für friedlotse Grund genug für die Fragen: 
Welche Rolle spielt Luft in der Bestattung? Und: Wie kann ich meinen Körper der Luft übergeben, wenn ich mal tot bin?

 

 

An der frischen Luft

Was mit dem toten Körper ohne viel weiteres Zutun an der frischen Luft passiert, wird zum Beispiel auf sogenannten Body Farmen erforscht; wissenschaftlichen Einrichtungen in den USA, den Niederlanden oder Australien, die den Zerfall menschlicher Körper unter bestimmten Einflüssen wie Todesart, Alter, Geschlecht oder Witterung untersuchen. 
Forschende fanden heraus: Unter den vorherrschenden klimatischen Bedingungen beginnt der Körper meist recht schnell nach Eintritt des Todes auszutrocknen. 
Seine Funktionen werden eingestellt; Haut, Drüsen und Schleimhäute nicht mehr feuchtgehalten. Luft hilft dann von innen und außen bei der Verwesung des Körpers. Dieser Prozess ist an der frischen Luft zweimal schneller als im Wasser und achtmal schneller als in der Erde. 
Die Fakultäten der Body Farmen erhalten weit mehr Körperspenden, als sie jährlich für ihre Arbeit bräuchten. Sobald sie vollständig verwest sind, werden die Skelette bestattet oder zum Beispiel forensischen Sammlungen hinzugefügt. Natürlich ist das trotzdem eine sehr ungewöhnliche Bestattungsart. 

 

 

In alle Winde

Weitaus gängiger sind Naturbestattungen, zu denen die See- und auch die Luftbestattung gehören. Voraussetzung für diese Bestattungsformen ist zunächst immer die Einäscherung
Die menschliche Asche darf dann in Deutschland aber nicht einfach so verstreut werden. Unter anderem die Kirchen sind gegen eine Anonymisierung von Bestattungen, und es gibt auch den Strafbestand der „Störung der Totenruhe“, der die menschliche Asche als unteilbar ansieht. Vor allem aber ist der gesetzlich geregelte Friedhofszwang in Deutschland der Grund dafür, dass unsere sterblichen Überreste nur auf Friedhöfen oder in ausgewiesenen Flächen, wie Bestattungswäldern oder Seegebieten, beigesetzt werden dürfen. In einigen Bundesländern, wie zum Beispiel Berlin und Brandenburg, Thüringen oder Nordrhein-Westfalen, kann man zwar die Asche auf dafür gedachten Rasenflächen verstreuen, doch mit dem Wunsch vieler, nach dem Tod in die freie, wilde Natur überzugehen, hat das nicht viel zu tun: Oft wird die Asche in eine Gruft gestreut und wieder mit Rasen verschlossen. Eine oberirdische Ausstreuung ist nur in Mecklenburg-Vorpommern und in Bremen erlaubt.

 

 

Auf Abwegen 

Wer diesen Rahmen hinter sich lassen möchte, für den gibt es zahlreiche Möglichkeiten im nahen Ausland, die auch von deutschen Bestattungsunternehmen angeboten und organisiert werden. 
Dazu gehören zum Beispiel Almwiesenbestattungen, Felsbestattungen und Gebirgsbach- oder Gebirgsseebestattungen.

Für eine Almbestattung, bei der die Asche in Anwesenheit der Trauernden von einem Hang aus oder auf einer Wiese in alle Winde verstreut wird, kann die Urne beispielsweise per Post zu einem Schweizer Anbieter geschickt werden. 

 

 

In luftiger Höhe

Als Luftbestattung bezeichnet man einerseits die Bestattung hoch über der Erde, wie zum Beispiel die traditionelle Himmelsbestattung, die in einigen Ländern Zentralasiens immer noch praktiziert wird: In Tibet werden die Körper mancher Verstorbener nach verschiedenen Ritualen in den Bergen zerteilt und den Geiern zum Fraß vorgeworfen. Ähnliche Bräuche sind auch aus der Mongolei oder Persien bekannt; die „Türme der Stille“ oder „Türme des Schweigens“ wurden oft fotografiert und sind mittlerweile berühmt. Dabei ergab sich die Tradition, wie so oft, aus pragmatischen Gründen – die Steppenerde war zu hart für Erdbestattungen, und für Feuerbestattungen fehlte es an Holz. 
Andererseits, in unserer hiesigen modernen Bestattungskultur, meint die Luftbestattung das Verstreuen der Asche aus einem Luftfahrzeug wie einem Flugzeug, Helikopter oder Heißluftballon. Auch das ist in einigen Nachbarländern möglich, zum Beispiel in den Niederlanden, Frankreich oder Dänemark. 
Flugbestattungen sind in Summe übrigens meist recht kostengünstig, da kein Grab erworben werden muss. Ein Nachteil ist, dass nur wenige Zugehörige dabei sein können und es später keinen Abschiedsort gibt, sondern nur die Koordinaten und Flughöhe. 

 

 

Ab wie eine Rakete 

Wem das noch nicht reicht, kann sich in einigen Ländern auch mithilfe einer Feuerwerksrakete in den Himmel schießen lassen, weswegen die Raketenbestattung auch gerne Nachthimmelbestattung genannt wird. Dabei wird die Asche des oder der Verstorbenen in eine Raketenkapsel gefüllt – oft zusammen mit Blumen – und am Ende eines Feuerwerks der Luft übergeben. 

In den USA kann man sich sogar im Weltraum bestatten lassen – auch wenn in den meisten Fällen nur ein Teil der Asche ins All geschossen wird und der Rest an einem anderen Ort bestattet werden muss. Viele Anbieter sprechen daher von einem „memorial“ (Gedenken).
Die ersten Weltraumbestattungen wurden vom amerikanischen Unternehmen Celestis zwischen 1997 und 2002 durchgeführt: In diesen Jahren befanden sich 24 Kapseln mit Asche, darunter die von LSD-Befürworter Timothy Leary und „Star Trek“-Schöpfer Gene Roddenberry, in einer Erdumlaufbahn.   

Was würde übrigens passieren, wenn wir den menschlichen Körper nicht nur wie eingangs erwähnt der frischen Luft, sondern (ohne Schutzanzug) dem Weltall aussetzen würden? Unschöne Dinge, so viel steht fest. Denn das Vakuum löst innerhalb weniger Sekunden eine Reihe tödlicher Prozesse in unserem Körper aus.
Passiert ist das noch nicht. Nur bei drei Personen steht es tatsächlich außer Frage, dass sie im Weltall starben: die russischen Kosmonauten Georgy Dobrovolsky, Viktor Pasayev und Vladislav Volkov, Crew der 1971 an der Space Station verunglückten Soyuz 11. Alle anderen Todesopfer der Raumfahrtmissionen starben innerhalb der Erdatmosphäre.

Aktuell berät die schwedische Firma Promessa unter anderem die NASA zum Umgang mit möglichen Todesfällen im All. Durch die Kälte im Weltraum könnte der von ihnen entwickelte Gefriertrocknungsprozess (auf der Erde wird Stickstoff dafür verwendet) praktikabel eingesetzt werden. 

 

 

Diamonds are forever

Interessant zu erwähnen wäre noch, was passiert, wenn man der Totenasche alle Luft entzieht. In Form eines Diamanten beispielsweise. Schweizer Anbieter pressen die menschliche Asche in ein oder mehrere Schmuckstücke.
Streng genommen ist auch diese Verwendung der Asche in Deutschland nicht erlaubt, wird in den meisten Bundesländern aber geduldet. 

Auch für dieses Verfahren, wie für alle vorangegangen, ist eine Kremation notwendig. 
Während der Recherche für diesen Artikel erzählte die Witwe Sonja Doll-Wilfert, die die Asche ihres Mannes als Diamant am Finger trägt: „Bei seiner Verbrennung dabei zu sein, empfand ich fast als entspannend … Es war warm, es roch nach Holz. Ich war Zeugin, wie er den Elementen übergeben wurde und in eine andere Welt überging.“

Und sie fügte hinzu: „Gleich nach Erhalt des Ringes habe ich festgelegt, dass ich nach meinem Ableben zusammen mit diesem Stein verbrannt werden möchte, um gemeinsam diese Welt zu verlassen. Der Brillant ist zwar der härteste Edelstein, aber verbrennen würde er.“

Und bis dahin kann er von ihr durchs Leben getragen werden, zu Hause, unter Wasser und an der frischen Luft. 

OUTRO 

Egal ob oder für welche der oben erwähnten Bestattungsformen du dich am Ende entscheidest, du kannst sie in deiner Bestattungsverfügung für die Nachwelt festhalten.

 

[Fotos: Angelika Frey]





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